Interview mit einer Schlachthaus-Praktikantin
Veröffentlicht am 26. Jun 2011
Christina
(Name geändert) musste im Rahmen ihres Studiums ein dreiwöchiges
Praktikum in einem deutschen Schlachthaus absolvieren. Was sie dabei
erleben musste, hat sie uns in einem Interview berichtet.
Christina, du hast ein Praktikum in einem Schlachthof absolviert. Kannst du kurz schildern wie du dazu gekommen bist?
Ich studiere Tiermedizin, und in Deutschland ist es Pflicht, dass
jeder, der Tiermedizin studiert, mindestens 100 Stunden auf dem
Schlachthof verbringt. Es muss nicht in Deutschland sein, aber innerhalb
der EU, und man kommt nicht darum herum.
Was waren deine Aufgaben und welche Stationen hast du durchlaufen? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Ich habe alle Stationen durchlaufen und den kompletten Schlachthof
gesehen: die Ankunft der Tiere, wie sie abgeladen werden, wie die Tiere
betäubt und getötet werden, vom Ausbluten übers Zerlegen, wie sie
hinterher ins Kühlhaus wandern und abgepackt werden. Ich habe auch
gesehen, was mit den Sachen passiert, die nicht für den menschlichen
Verzehr bestimmt sind, zum Beispiel die Rinder- und Schweinelungen, die
dann zu Hundefutter verarbeitet werden.
Wie wird entschieden, was für den menschlichen Verzehr geeignet ist und was nicht?
Grundsätzlich haben die Arbeiter sehr wenig Zeit, sich einen
Überblick zu verschaffen, ob ein Organ noch OK ist. Es sind etwa 20
Sekunden, in denen sie entscheiden müssen, was für den menschlichen
Verzehr ungeeignet ist. Ob zum Beispiel Blut in der Lunge ist, weil die
Tiere nochmal einen tiefen Atemzug gemacht haben, während sie
ausbluteten, oder ob sie eine Lungenentzündung oder eine
Herzbeutelentzündung haben. Diese Sachen werden abgeschnitten und landen
in der Tonne, die noch zu Tierfutter weiterverarbeitet wird. Ich habe
kaum Organe gesehen, die nicht krankhaft verändert waren.
Du hast auch am Band direkt an den Tierkörpern gearbeitet.
Welchen Eindruck hattest du vom gesundheitlichen Zustand der Tiere, die
dort verarbeitet wurden?
Dafür, dass die meisten Tiere, besonders die Schweine, nicht viel
älter als 10 Monate waren, waren die Tiere in sehr schlechter
gesundheitlicher Verfassung. Bei vielen waren die Lungen durch
Entzündungen verändert, teilweise richtig verfärbt. Viele Lungen waren
mit Blut gefüllt, fast alle Lungen hatten Abszesse. Fast alle Lebern
hatten Parasiten und wurden weggeschmissen. Häufig waren auch
Veränderungen am Herz zu sehen, insgesamt musste sehr viel aussortiert
werden. Die Tierkörper wiesen auffällig viele Verletzungen auf,
Abszesse, dicke Gelenke, Finnen, Bisswunden und Verletzungen von
Schlägen.
Was sind Finnen und was passiert mit dem infizierten Fleisch?
Finnen sind Parasiten, die sich hauptsächlich bei Rindern finden, und
die sich an Muskeln anlagern und verkapseln. Der Mensch kann sich durch
den Konsum von infiziertem Fleisch anstecken. Die Erkrankung ist sehr
gefährlich für den Menschen, weil die Parasiten im Körper umherwandern
und sich an Organen anlagern können. Wenn Finnen bei Rindern gefunden
wurden, blieb dem jeweiligen Tierarzt die Entscheidung allein
überlassen, ob er das Fleisch trotzdem für den menschlichen Verzehr
freigibt. Es existieren keine verbindlichen Richtlinien, ab wann
sozusagen zu viele Finnen im Fleisch vorhanden sind. Infiziertes Fleisch
wird »brauchbar« gemacht, indem es für eine bestimmte Zeit tiefgefroren
wird. Danach wird es ganz normal verkauft.
Wann wurde ein Tier aussortiert? Was passierte mit ihm?
Nur sehr wenige Tiere wurden tatsächlich aussortiert. Dazu zählten
Tiere, die sich gar nicht mehr bewegen konnten. Ein Schwein, das ich
gesehen habe, hatte Fieber, und wurde von der Amtstierärztin
aussortiert. Was bedeutet, dass es mitten im Stall erschossen wurde, und
dort auch noch mehrere Stunden liegen blieb, während die anderen Tiere
daran vorbei laufen mussten. Bei den Rindern habe ich überhaupt nicht
erlebt, dass ein Tier aussortiert wurde.
Welche Aufgaben hatten die Amtstierärzte?
Eigentlich haben die Amtstierärzte die Aufgabe, alles zu überwachen.
Gerade wenn die Tiere ankommen, sollten die Tiere noch einmal untersucht
werden. In der Realität sah es allerdings so aus, dass nur ein grober
Blick auf die Tiere geworfen wurde, um zu sehen, ob die Tiere noch
laufen können. Selbst wenn Tiere lahmten, wurde nichts dazu gesagt oder
aufgeschrieben. Nur in den schwerwiegendsten Fällen wurde etwas notiert.
Die Kontrolle durch die Amtstierärzte war für mein Empfinden sehr
lasch, beispielsweise habe ich die leitenden Ärztin nie hinten im Stall
gesehen. Die Amtstierärztin füllte ihre Tabelle oft aus, und befand die
Tiere somit für gesund und schlachttauglich, noch bevor sie sie
überhaupt gesehen hatte. Nach dem Ausfüllen sah sie beim Ausladen zu.
Meistens jedenfalls. Manchmal redete sie auch mit Kollegen und schaute
gar nicht hin.
Wie gingen die Arbeiter mit den Tieren um? Hast du Verstöße gegen Tierschutzauflagen beobachtet?
Ich habe gesehen wie Tiere, die nicht mehr alleine den Transporter
verlassen konnten, in den Betrieb getragen wurden, was nicht erlaubt
ist. Ich habe gesehen, wie Schweine mit Schlägen und Tritten
hineingetrieben wurden, dass Tiere, die nicht mehr aufstehen konnten
geschlagen wurden, sogar ins Gesicht, während die Amtstierärztin daneben
stand und nichts dagegen getan hat. Als ich diese Verstöße angesprochen
habe, wurde das abgetan und das Thema gewechselt. Bei den Schweinen
ging es sehr brutal zu. Die Tiere wurden mit Hartplastikstöcken
getrieben, auf den Hintern und ins Gesicht geschlagen, sogar auf die
empfindliche Nase. Teilweise wurden sie auch getreten. Das Problem ist,
dass die Tiere in großen Gruppen von 20 bis 30 Tieren abgeladen werden,
und dass auf die hinteren eingeprügelt wird, weil es vorne nicht weiter
geht. Allerdings können die Tiere in diesem Gedränge nicht schneller
laufen. Bei den Rindern habe ich beobachtet, dass elektrische
Treibhilfen verwendet wurden. Diese wurden auch bei jungen Tieren und im
Kopfbereich eingesetzt, was eigentlich verboten ist.
Was ist mit Bio-Tieren? Gab es einen Unterschied?
Nein. Bio-Tiere und Nicht-Bio-Tiere werden alle gleich behandelt.
Alle werden auf dieselbe Weise hineingetrieben und geschlachtet.
Wie hast du dich deinen Kollegen gegenüber verhalten? Hast du dich als Tierschützerin geoutet?
Prinzipiell habe ich mich sehr zurückhaltend verhalten. Mir war die
ganze Situation sehr unangenehm, deshalb wollte ich den Gesprächskontakt
mit den Leuten eher vermeiden.
Welchen physischen und psychischen Belastungen warst du ausgesetzt? Wie hast du dich während der Arbeit gefühlt?
Für mich war es einfach die Hölle, anders kann man es nicht
beschreiben. Ich habe sehr viel geweint und mich zurückgezogen. Ich
konnte das überhaupt nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, und habe
mich immer gefragt wie die anderen diese Arbeit überhaupt machen können.
Die psychische Belastung war enorm hoch.
Wie haben die Erfahrungen aus dem Praktikum deine Einstellung
zum Thema Tiere essen beeinflusst? Wie bewertest du diese Zeit
rückblickend?
Ich lebe vegan, und meine Erfahrungen während des Praktikums haben
meine Ansichten nur gefestigt. Ich habe gemerkt, dass es den Leuten, mit
denen ich meine Erfahrungen geteilt habe, nahe gegangen ist, und dass
ich sie zum Nachdenken angeregt habe. Ich freue mich darüber, wenn Leute
sagen, dass es ihnen etwas gebracht hat, von meinen Erlebnissen zu
erfahren. Dieses Praktikum war das Schlimmste, was ich je durchmachen
musste. Ich wünsche diese Erfahrungen keinem. Weder Tier, noch Mensch.
Veröffentlicht am 26. Jun 2011
Christina
(Name geändert) musste im Rahmen ihres Studiums ein dreiwöchiges
Praktikum in einem deutschen Schlachthaus absolvieren. Was sie dabei
erleben musste, hat sie uns in einem Interview berichtet.
Christina, du hast ein Praktikum in einem Schlachthof absolviert. Kannst du kurz schildern wie du dazu gekommen bist?
Ich studiere Tiermedizin, und in Deutschland ist es Pflicht, dass
jeder, der Tiermedizin studiert, mindestens 100 Stunden auf dem
Schlachthof verbringt. Es muss nicht in Deutschland sein, aber innerhalb
der EU, und man kommt nicht darum herum.
Was waren deine Aufgaben und welche Stationen hast du durchlaufen? Was ist dir besonders in Erinnerung geblieben?
Ich habe alle Stationen durchlaufen und den kompletten Schlachthof
gesehen: die Ankunft der Tiere, wie sie abgeladen werden, wie die Tiere
betäubt und getötet werden, vom Ausbluten übers Zerlegen, wie sie
hinterher ins Kühlhaus wandern und abgepackt werden. Ich habe auch
gesehen, was mit den Sachen passiert, die nicht für den menschlichen
Verzehr bestimmt sind, zum Beispiel die Rinder- und Schweinelungen, die
dann zu Hundefutter verarbeitet werden.
Wie wird entschieden, was für den menschlichen Verzehr geeignet ist und was nicht?
Grundsätzlich haben die Arbeiter sehr wenig Zeit, sich einen
Überblick zu verschaffen, ob ein Organ noch OK ist. Es sind etwa 20
Sekunden, in denen sie entscheiden müssen, was für den menschlichen
Verzehr ungeeignet ist. Ob zum Beispiel Blut in der Lunge ist, weil die
Tiere nochmal einen tiefen Atemzug gemacht haben, während sie
ausbluteten, oder ob sie eine Lungenentzündung oder eine
Herzbeutelentzündung haben. Diese Sachen werden abgeschnitten und landen
in der Tonne, die noch zu Tierfutter weiterverarbeitet wird. Ich habe
kaum Organe gesehen, die nicht krankhaft verändert waren.
Du hast auch am Band direkt an den Tierkörpern gearbeitet.
Welchen Eindruck hattest du vom gesundheitlichen Zustand der Tiere, die
dort verarbeitet wurden?
Dafür, dass die meisten Tiere, besonders die Schweine, nicht viel
älter als 10 Monate waren, waren die Tiere in sehr schlechter
gesundheitlicher Verfassung. Bei vielen waren die Lungen durch
Entzündungen verändert, teilweise richtig verfärbt. Viele Lungen waren
mit Blut gefüllt, fast alle Lungen hatten Abszesse. Fast alle Lebern
hatten Parasiten und wurden weggeschmissen. Häufig waren auch
Veränderungen am Herz zu sehen, insgesamt musste sehr viel aussortiert
werden. Die Tierkörper wiesen auffällig viele Verletzungen auf,
Abszesse, dicke Gelenke, Finnen, Bisswunden und Verletzungen von
Schlägen.
Was sind Finnen und was passiert mit dem infizierten Fleisch?
Finnen sind Parasiten, die sich hauptsächlich bei Rindern finden, und
die sich an Muskeln anlagern und verkapseln. Der Mensch kann sich durch
den Konsum von infiziertem Fleisch anstecken. Die Erkrankung ist sehr
gefährlich für den Menschen, weil die Parasiten im Körper umherwandern
und sich an Organen anlagern können. Wenn Finnen bei Rindern gefunden
wurden, blieb dem jeweiligen Tierarzt die Entscheidung allein
überlassen, ob er das Fleisch trotzdem für den menschlichen Verzehr
freigibt. Es existieren keine verbindlichen Richtlinien, ab wann
sozusagen zu viele Finnen im Fleisch vorhanden sind. Infiziertes Fleisch
wird »brauchbar« gemacht, indem es für eine bestimmte Zeit tiefgefroren
wird. Danach wird es ganz normal verkauft.
Wann wurde ein Tier aussortiert? Was passierte mit ihm?
Nur sehr wenige Tiere wurden tatsächlich aussortiert. Dazu zählten
Tiere, die sich gar nicht mehr bewegen konnten. Ein Schwein, das ich
gesehen habe, hatte Fieber, und wurde von der Amtstierärztin
aussortiert. Was bedeutet, dass es mitten im Stall erschossen wurde, und
dort auch noch mehrere Stunden liegen blieb, während die anderen Tiere
daran vorbei laufen mussten. Bei den Rindern habe ich überhaupt nicht
erlebt, dass ein Tier aussortiert wurde.
Welche Aufgaben hatten die Amtstierärzte?
Eigentlich haben die Amtstierärzte die Aufgabe, alles zu überwachen.
Gerade wenn die Tiere ankommen, sollten die Tiere noch einmal untersucht
werden. In der Realität sah es allerdings so aus, dass nur ein grober
Blick auf die Tiere geworfen wurde, um zu sehen, ob die Tiere noch
laufen können. Selbst wenn Tiere lahmten, wurde nichts dazu gesagt oder
aufgeschrieben. Nur in den schwerwiegendsten Fällen wurde etwas notiert.
Die Kontrolle durch die Amtstierärzte war für mein Empfinden sehr
lasch, beispielsweise habe ich die leitenden Ärztin nie hinten im Stall
gesehen. Die Amtstierärztin füllte ihre Tabelle oft aus, und befand die
Tiere somit für gesund und schlachttauglich, noch bevor sie sie
überhaupt gesehen hatte. Nach dem Ausfüllen sah sie beim Ausladen zu.
Meistens jedenfalls. Manchmal redete sie auch mit Kollegen und schaute
gar nicht hin.
Wie gingen die Arbeiter mit den Tieren um? Hast du Verstöße gegen Tierschutzauflagen beobachtet?
Ich habe gesehen wie Tiere, die nicht mehr alleine den Transporter
verlassen konnten, in den Betrieb getragen wurden, was nicht erlaubt
ist. Ich habe gesehen, wie Schweine mit Schlägen und Tritten
hineingetrieben wurden, dass Tiere, die nicht mehr aufstehen konnten
geschlagen wurden, sogar ins Gesicht, während die Amtstierärztin daneben
stand und nichts dagegen getan hat. Als ich diese Verstöße angesprochen
habe, wurde das abgetan und das Thema gewechselt. Bei den Schweinen
ging es sehr brutal zu. Die Tiere wurden mit Hartplastikstöcken
getrieben, auf den Hintern und ins Gesicht geschlagen, sogar auf die
empfindliche Nase. Teilweise wurden sie auch getreten. Das Problem ist,
dass die Tiere in großen Gruppen von 20 bis 30 Tieren abgeladen werden,
und dass auf die hinteren eingeprügelt wird, weil es vorne nicht weiter
geht. Allerdings können die Tiere in diesem Gedränge nicht schneller
laufen. Bei den Rindern habe ich beobachtet, dass elektrische
Treibhilfen verwendet wurden. Diese wurden auch bei jungen Tieren und im
Kopfbereich eingesetzt, was eigentlich verboten ist.
Was ist mit Bio-Tieren? Gab es einen Unterschied?
Nein. Bio-Tiere und Nicht-Bio-Tiere werden alle gleich behandelt.
Alle werden auf dieselbe Weise hineingetrieben und geschlachtet.
Wie hast du dich deinen Kollegen gegenüber verhalten? Hast du dich als Tierschützerin geoutet?
Prinzipiell habe ich mich sehr zurückhaltend verhalten. Mir war die
ganze Situation sehr unangenehm, deshalb wollte ich den Gesprächskontakt
mit den Leuten eher vermeiden.
Welchen physischen und psychischen Belastungen warst du ausgesetzt? Wie hast du dich während der Arbeit gefühlt?
Für mich war es einfach die Hölle, anders kann man es nicht
beschreiben. Ich habe sehr viel geweint und mich zurückgezogen. Ich
konnte das überhaupt nicht mit meinem Gewissen vereinbaren, und habe
mich immer gefragt wie die anderen diese Arbeit überhaupt machen können.
Die psychische Belastung war enorm hoch.
Wie haben die Erfahrungen aus dem Praktikum deine Einstellung
zum Thema Tiere essen beeinflusst? Wie bewertest du diese Zeit
rückblickend?
Ich lebe vegan, und meine Erfahrungen während des Praktikums haben
meine Ansichten nur gefestigt. Ich habe gemerkt, dass es den Leuten, mit
denen ich meine Erfahrungen geteilt habe, nahe gegangen ist, und dass
ich sie zum Nachdenken angeregt habe. Ich freue mich darüber, wenn Leute
sagen, dass es ihnen etwas gebracht hat, von meinen Erlebnissen zu
erfahren. Dieses Praktikum war das Schlimmste, was ich je durchmachen
musste. Ich wünsche diese Erfahrungen keinem. Weder Tier, noch Mensch.